Quartierwechsel steht an. Nach vier Tagen in Vence haben wir uns ein Appartement in L‘Isle sur la Sorgue gebucht. Die 240 km meistern wir natürlich mit Auto aber nutzen den Tag um nochmal in Grasse auszusteigen und da ein bisschen durch die Altstadt zu laufen nachdem wir zuvor Teile der Strecke mit dem Fahrrad absolviert haben. So startet diese Reise wieder mit dem Panoramabild von Tourette sur Loup bis wir dann nach Grasse kommen. Erfreulicherweise ist noch recht wenig los. Schulkinder spielen Fußball auf dem zentralen Platz mit Blick auf die Kathedrale.
Wenn wir schon so weit in den Süden vorgedrungen sind, dann müssen wir auch noch einmal ans Meer. Wir peilen westlich von Cannes die kleine Stadt La Napoule mit großem Hafen an. Wir bekommen an einer einsamen Vorsaisonbar einen Café au Lait im Pappbecher, den wir gut festhalten müssen, denn der Wind ist ziemlich stark. Dort entscheiden wir spontan die Küstenstraße nach St. Raphael zu nehmen. Das kostet zwar eine Stunde extra aber wir haben ja Zeit und es ist ein derart sensationelles Panorama. Alle 5 Minuten könnte wir anhalten um noch ein Foto zu schießen. Das Esterel Gebirge mit den roten Felsen, die steil ins Meer abfallen, ist jede extra Minute wert.
Von St. Raphael nehmen wir dann wieder die Autobahn und kommen pünktlich um 18h an.
Wieder alle Vorhersagen ist der Himmel heute eher grau. Wir ziehen uns etwas wärmer an und machen uns mit den Fahrräder auf Richtung Gorges du Loup. Teilweise führt auch die Fahrradwege über die Hauptverbindungsstraße von Vence nach Grasses, teilweise sind sie so geführt, dass es zwar von der Straße über Seitenstraßen abgeht, dann aber steil nach unten und ebenso steil wieder zurück. Das drückt auf den Schnitt und zehrt an den Kräften. Ab Tourrettes sur Loup (erstes Foto, malerisch auf dem Felsen gelegen) bleiben wir dann auch auf der Hauptstraße bis Pont du Loup wo es zum Einstieg in die Schlucht. Die Brücke bei Pont du Loup existiert nur noch in Form riesiger Brückenpfeiler. Nach ein paar Kilometern aufwärts mit moderaten 5-7% sehen wir den ersten faszinierenden Wasserfall (Cascade de Courmes) mit tollen Farben und Formationen. Fast wären wir dran vorbei gefahren so unauffällig ist der Platz von der Straße aus. Beim zweiten Wasserfall (Cascade u Saut du Loup) gibt es dann Parkplatz und ein Restaurant und Eintritt. Von hier lassen wir uns durch die Schlucht wieder runterrollen und folgen dem Loup bis nach Colle sur Loup.
In Colle sur Loup ist noch wenig los, es ist Mittagszeit und wir finden für einen Café aus dem Pappbecher nur eine Creperie. Eine Crêpe gibt es dann auch noch dazu. Von dort suchen wir einen Weg nach St. Paul de Vence und müssen die verlorenen Höhenmeter wieder einholen.
Erwartungsgemäß ist in diesem Dörfchen voller Galerien, Künstler und Kunsthandwerker trotz Vorsaison ziemlich viel los. Wir schieben unsere Räder durch enge Gassen und blicken von oben auf den Friedhof ohne das Chagall-Grab zu suchen. Beim Rausfahren aus dem Ort (Richtung Vence) unterläuft mir leider ein Navigationsfehler. Wir verlieren fast die gesamten Höhenmeter und müssen alles wieder hoch bis nach Vence. Teilweise über ziemlich befahrene Straßen.
So haben wir über 54 km immerhin gute 900 Höhenmeter gesammelt.
63 km, 1100 Höhenmeter, moderat aber durchaus anspruchsvoll und wunderschöne Panoramen.
Heute nehme ich mein Reiserad, beim Aufpumpen stelle ich fest, das aus der Felge Wasser quillt. Wird sich hoffentlich wieder verziehen. Der Himmel ist strahlend blau. Auf der Terrasse ist es wunderschön warm und so bin ich erstmal unschlüssig wie warm ich mich anziehen soll. Ich entscheide mich für die Dreiviertel Radhose umd eine Jacke. Die dünnen Handschuhe ziehe ich besser auch an.
Nach wenigen Kilometern biegt die Straße zum Col de Vence ab. Es geht von knapp 400 Meter über knapp 10 km auf knapp 1000 Meter hoch. Die Steigung ist moderat und es ist kaum Verkehr. Die Jacke stopfe ich irgendwie in die Trikottasche, denn der Aufstieg bringt mich schnell zum Schwitzen. Die Franzosen legen großen Wert auf Fahrradfreundlichkeit. Zu jedem Kilometer wird über Reststrecke und verbleibende Höhenmeter bis zum Pass informiert. Außerdem wird den Autofahrern mit ebenso häufig angezeigten Informationstafeln eingeschärft 1,5 Meter Abstand zu halten. Die meisten halten sich erfreulicher Weise dran, außerdem ist sehr wenig Verkehr.
Oben angekommen stürzt ein Franzose auf seinem Carbonrad im Stehen, kommt nicht mehr aus den Pedalen. Ich will ihm helfen und vergesse dabei das Gipfelfoto. Im Osten sind die verschneiten Berge zu sehen, im Süden das Meer und der Fels von St. Jeannet.
Nach dem Pass fällt die Straße kurz ab, passiert auf einer Höhe verschiedene einsame Täler bis das Dorf Coursegoules in Sicht kommt. Farblich hebt es sich kaum vom Felsen ab, an dem es dran hängt. Zum Dorf hin hebt sich sich die Straße auf über 1000 Meter. Am Brunnen, mit der freundlichen Kreidetafel, das Wasser frisch und trinkbar sei, fülle ich die Flaschen wieder auf. Handwerker sitzen draußen zum Mittagstisch und ich fahre weiter zu Dorf 2, Bezaudon des Alpes. Es liegt etwas ab von der Hauptstraße und ich klettere den Kilometer nach oben und werde mit einem schönen Ausblick auf das Dorf und ein sensationelles Panorama auf verschneite Berge belohnt.
Es folgen weitere Dörfer. Bouyon (3), da esse ich am Brunnen einen Riegel, Le Broc (4), Carros (5) mit großem Besucheransturm, die Polizei steht mit drei Mann am mittelalterlichen Übergang und stellt sicher, dass nur Fußgänger rüber dürfen, Gattieres (6), auch wieder malerisch auf einem Hügel gelegen. Das Panorama der Dörfer wehrhaft auf Hügeln angesiedelt vor verschneiten Bergen ist einzigartig.
Zuletzt geht es bei St. Jeannet (7) noch einmal steil 2 km nach oben. so knacke ich insgesamt mit 63km die 1100 Höhenmeter Marke. Diesmal sehe ich den Felsen, den ich zuvor aus allen Perspektiven von der Seite und von gesehen haben direkt über seinem namensgebendem Dorf. Der Platz für die heilige Barbara bietet wieder den faszinierenden Ausblick und der Brunnen wird offensichtlich mit kleinen Steinen und Zettelchen als Wunschbrunnen genutzt. In der kleinen Bar „chez Lisa“ bewirtet von einem ziemlich alten, wettergegerbten Althippie gönne ich mir einen Milchkaffee bevor es wieder runter und ein paar Kilometer bis zu unserem Domizil auf der Straße nach Vence zurück geht.
Die letzten Höhenmeter hole ich mir dann noch indem ich einen Durchgang von der sehr befahrenen Straße zwischen St. Jeannet und Vence zur alten Straße suche. Die Verbindung gibt es, aber sie endet auch für Fahrräder in einer Sackgasse, bzw. Trampelpfad mit Tragepassage. Besonderer Gag, ein 7,5 Tonner aus Polen versucht in der Sackgasse zu wenden, keine Chance. Die Stichstraße ist gerade breit genug für seinen Laster und da muss er jetzt 500 Meter bei ca. 14% Neigung rückwärts hoch. Fahrer Pole, kein französisch, ein bisschen englisch. Ich versuche noch bei den Nachbargrundstücken zu klingeln ob einer von den Villen vielleicht sein Tor aufmachen kann – ohne Erfolg, keiner da. Auf der Hälfte gibt es eine halb offene Einfahrt. Bis zu der rückwärts hoch und dann wenden. Deutlich schweißtreibender als das mit dem Rad zu fahren. Also besser 2x aufs Navi schauen.
Dem deutschen Aprilwetter sind wir entflohen, bis nach Vence, Südfrankreich haben wir es geschafft. Auf der Fahrt Schnee und strömender Regen. Hat mir ein bisschen Leid getan für unsere Räder. In Vence ist das Wetter schön ankündigt, kühl so um 12 bis 15 Grad aber sonnig. Am ersten Tag gab es noch ein paar Wolken und wir sind auf die Hausberge Baou Noir und Baou Blanc gestiegen.
Auf der Baou Noir begegnen wir einer kleinen Wandergruppe, der einzigen. Das Panorama über die Felsen von St. Jeannet, Nizza, Vence, Antibes ist ziemlich eindrucksvoll. Oben an der Baou Blanc hängt die Wolke, so daß wir hier wieder nach Vence auf einem sehr steilen Kletterpfad absteigen.
Abends laufen wir noch ein bisschen durch das Bergdorf St. Jeannet. Sensationell schöne Ecken und es werden sogar noch Immobilien verkauft.