Von Assuan nach Edfu

Wir liegen nun mit dutzenden anderen Kreuzfahrtschiffen gemeinsam vertäut. Alle Schiffe haben die gleiche Bauweise, ca. 70 Meter lang, ca. 14 Meter breit (mit Schritten abgemessen). Im Unterdeck mit Blick knapp über der Wasserlinie ist das Restaurant. Im Mitteldeck sind Kabinen, Rezeption und der Ein- und -ausstiegsbereich. Darüber befinden sich Kabinen und ein kleiner Shop und darüber weitere Kabinen und eine große Bar. Ganz oben ist ein kleiner Pool mit Liegen und ein paar Schirmen. Die Liegen werden jeden Morgen schnell mit Handtüchern belegt. Mit Zeltplanen überdacht gibt es einen weiteren Barbereich. Heute ist endlich Abfahrt, aber wir müssen noch auf die Gäste warten, die sich für den Ausflug nach Abu Simbel entschieden haben. Das bedeutet sehr früh raus und dann hin und zurück durch 250 km Wüste, um einen kurzen Blick auf dieses bauliche Wunderwerk werfen zu können. Ein kürzlich erschienener Artikel in der Zeitung hat mich nicht motiviert auch bei dieser Massenszenerie dabei zu sein.

Viel Zeit um diesmal zu viert noch einmal durch die Souks zu schlendern und wieder viele Einladungen zu bekommen. Einige stellen sich als Koch unseres Schiffs vor und wollen uns einen ganz besonderen Laden zeigen. Kurz vor Mittagessenszeit kehren wir wieder Richtung Boot zurück. Ich versuche nun mein gestern erworbenes Wissen um die Geheimnisse des Biererwerbs anzuwenden. Nachdem ich einige Matrosen gesehen habe, die jeder 4 große 24er Stella-Paletten auf dem Rücken Richtung Schiffe tragen, hoffe ich heute erfolgreicher zu sein. Der Weg ist bei Helligkeit schnell gefunden und vor der schwarzen Tür steht ein 38 Tonner Lastwagen mit vielen dunklen Gestalten, die dort Kisten abladen. Die Tür in einen dunklen Lagerraum ist diesmal weit offen und nachdem ich vorsichtig um die Ecke linse, werde ich auch sofort hereingerufen. Eine ganze Palette will ich nicht kaufen, aber sechs Dosen sind schnell aus einer Palette gelöst. Mit Taschenrechner ist die Rechnung schnell ausgerechnet, 40 LE pro Dose. Mit schwarzer Plastiktüte komme ich pünktlich zum Mittagessen ans Boot und kann den Inhalt der Tüte noch in den Kühlschrank einräumen. Übrigens kann man nichts kaufen, ohne dafür mit einer Plastiktüte belohnt zu werden.

Um 15h geht es dann mit einer Stunde Verspätung los. Wir fahren nicht allein los. Nach und nach löst sich ein Schiff nach dem andern vom Ufer. Ein kilometerlanger Konvoi steuert den Nil runter dem nächsten Ziel Kom Ombo entgegen.

So ist das Vergnügen auf dem Oberdeck die fruchtbare Acker- und Weidelandschaft an uns vorbei ziehen zu sehen durch die tiefliegenden und deutlich riechbaren und zu Kopf gehenden Abgasschwaden deutlich getrübt. Landstrom ist in diesem Wirtschaftssegment offensichtlich noch kein lösbares Thema. Das heißt sowohl in Bewegung als auch liegend laufen ständig Motoren bzw. Generatoren aller Boote. Bei Dunkelheit erreichen wir dann die nächste großartige Tempelanlage. Diese ist als einmalige Besonderheit als Doppeltempel mit zwei Eingängen konzipiert, der dem Krokodilgott (Sobek) und dem Falkengott (Horus) gewidmet ist. Die Begründungen gehen, je nachdem wo man nachliest, etwas auseinander. Unser Führer ist der Ansicht, dass es um den ständigen Kampf zwischen Gut und Böse geht. Dabei steht Horus für das Gute und so nennt er auch unsere Reisegruppe „Familie Horus“.

Ein weiteres Highlight des Tempels ist der Kalender, in dem das ägyptische Jahr in 3x vier Monaten zu 30 Tagen mit durch unseren Führer für uns entschlüsseltem Zahlensystem. In den verbleibenden 5/6 Tagen des Jahres wird Neujahr gefeiert.

Bei der Einfahrt prangt der großartig beleuchtete Tempel über den nunmehr hunderten Kreuzfahrerschiffen, die bereits den Kai erobert haben. Es gibt Verbindungskanäle zwischen Tempel und Nil. Die Höhe des Wassers in der Anlage diente als Indikator für die Festlegung der Steuern (zu wenig oder zu viel Wasser bedeuten wenig Steuer sonst viel). Außerdem gab es einige Becken für die Krokodile. Im Nachbargebäude ist ein Museum in erster Linie den Krokodilen gewidmet, von denen auch ein paar mumifizierte Exemplare zu sehen sind.

Ein kurzer Marsch zu Fuß führt uns wieder zum Liegeplatz zurück und nachdem wir die anderen Schiffe durchquert haben, setzen wir uns in unserem Boot in die Deckbar. Gegen 23h setzen sich alle Boote nacheinander in Bewegung, um in der Dunkelheit weiter bis Edfu zu fahren. Das Spektakel ist sehr interessant anzuschauen. Der Dieselgeruch, der sich über den Fluss verbreitet, ist weniger angenehm.

In Assuan

Obwohl das Zimmer eher mittelmäßig ist, schlafe ich ziemlich gut. Der Verkehr in Ägypten zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass alles hupt. Motorräder, die auf dem schmalen Streifen rechts vorbei wollen, hupen, damit unser Fahrer nicht auch auf die Idee kommt, ein bisschen nach rechts zu fahren, weil gerade hinten links einer hupt, der zwischen Gegenverkehr und unserm Bus durch möchte.

Nachdem uns unser Führer Asis gestern Abend noch in Empfang genommen hat und zunächst einen fakultativen (zusätzliche Kosten) Ausflug in den Nationalpark (in erster Linie die Staudammkatarakte) vorgeschlagen hatte, den wir aber gleich verworfen hatten, ging es dann in der Frühe doch aufs Schiff und wir haben die schon eingeschworene Gruppe auf dem Schiff auf die „Kitchener-Insel“ mit botanischem Garten auf einer Nil-Feluke mit Trapez-Segel begleitet. Selbst auf dem Boot haben die beiden nubischen Schiffskapitäne eine kleine Verkaufsveranstaltung von afrikanischem Schmuck oder sonstigen Erinnerungsstücken vorbereitet.

Auch auf der Insel werden wir von freundlichen Verkäufern in Empfang genommen, die sehr engagiert die immer gleichen weitgehend nutzlosen Dinge weitgehend erfolglos anbieten. Das volkswirtschaftliche Potential dieser Human-Ressourcen lässt sich sicher effektiver heben. Der Garten ist sehr angenehm und dient auch vielen einheimischen Schulklassen als Ausflugsziel.

Nachmittags werden wir mit einem großen Bus zum kleinen (dem alten) und großen Assuan-Staudamm gebracht, der den Nasser Stausee (so genannt nach dem Präsidenten, der den Bau initiierte) ohne Schleuse vom Nil abtrennt. Hoch-Tief, das deutsche Bauunternehmen, hat ein Angebot mit Schleuse unterbreitet, das war aber zu teuer für den ägyptischen Staat und so wurde der Staudamm mit russischer Hilfe gebaut, billiger aber ohne Schleuse. Muss halt nun alles mit Lastern durch die Gegend gefahren werden. Im Nasser-See gibt es noch Krokodile, im unteren Verlauf des Nils nicht mehr. Wir haben keins gesehen. Der riesige Staudamm wird militärisch scharf bewacht.

Auf dem Rückweg besuchen wir den der Göttin Isis geweihten Tempel von Philae, der in ptolemäischer Zeit gebaut und von Kleopatra fertig gebaut wurde. Eine Säule trägt eine Hieroglyphen-Kartusche mit ihrem Namen. Im Tempel, den wir mit kleinen Booten mit Zweitakter Außenmotor erreichen, erwarten uns neben der großartigen Eingangsfassade mehrere andere Tempelanlagen, die dem Falkengott Horus und seiner Frau Hathor gewidmet sind. In römischer Zeit kam noch was dazu. Der ganze Tempel wurde vor der Stauseefertigstellung Stein für Stein, von einer niedriger gelegenen Insel hierher, über Wasser, verlegt.

Nach Sonnenuntergang über dem See fahren wir wieder durch das tief über dem See liegende Zweitakter-Gemisch. Eine Familie aus Wien mit drei jungen Töchtern ist auch dabei. Mittels freiwilliger Schal-Verschleierung wird der erfolglose Versuch unternommen, dem Geruch des verbrannten Benzins zu entgehen.  

Wieder auf dem Schiff zurück, müssen wir nachts leider die Erfahrung machen, dass uns auf dem Mitteldeck wohl keine ruhige entspannte Nacht erwarten wird. Die Boote am Kai sind in mehreren Reihen aneinander vertäut. Will man an Land, so müssen erstmal zwei oder drei andere Schiffe passiert werden. Vibrierende Maschinen und Lüftungen des eigenen und vor allem des Nachbarschiffs schaffen einen Geräuschpegel, der sich auch mit Ohrstöpseln nur teilweise reduzieren lässt. Nach der zweiten ziemlich schlaflosen Nacht konnten wir dann noch für eine Nacht in das Oberdeck etwas weiter vor umziehen. Dort war es deutlich ruhiger.

Pünktlich zum Abendessen kommen wir wieder ans Schiff. „Stella“ gibt es an Bord auch. Diesmal für nur 160 LE. Das motiviert mich, ein bisschen Land und Leute auf eigene Faust zu erkunden. Dank Google Maps finde ich auch verschiedene Lebensmittelläden, aber sowohl hier als auch in den Souks / Bazar, die ich später durchquere, finde ich alle Arten von alkoholfreien Getränken, aber kein Bier. Beim ersten Lebensmittelhändler mache ich mich kundig, wie das hier mit dem Bierverkauf funktioniert. Der Ladenbesitzer erklärt, dass es dafür Spezialgeschäfte gibt und direkt um die Ecke wäre eins. Direkt um die Ecke ist allerdings alles hinter einer dunklen schwarzen Tür mit fünf Schlössern verrammelt. Ich frage einen andern nach dem Laden und auch er verweist auf die schwarze Tür. Also heute Abend zu.

Durch die Souks mach ich dann noch einen kleinen Streifzug. Während mich vorher in der nicht-touristischen Gegend keiner angesprochen hatte, spritzt, kaum bin ich von weitem ausgemacht, ein Ladenbesitzer von seinem Schemel, möchte wissen, wo ich herkomme, und will gleich mein Freund werden und mir ganz unverbindlich seinen wunderschönen Laden zeigen. Später gehen wir noch einmal zu zweit los. Wir sind fast die einzigen Europäer und hätten so sicher viele Bekanntschaften schließen können. Auf den Nil-Schiffen müssen tausende Touristen sein, aber die bleiben dort. Das Angebot ist vielfältig und richtet sich trotz der touristischen Anmutung auch stark an Einheimische.

Von Kairo nach Assuan

Eine Freundin aus Heidelberg hatte wiederum von einer Freundin davon gehört, dass die Nilkreuzfahrten ein ganz tolles Erlebnis wären. Kurzum wurden wir überzeugt, da einfach mitzugehen und so war ziemlich spontan eine Reise mit umfassender Betreuung gebucht. 

Von Frankfurt sind wir mit Egypt Air nach Kairo geflogen und es gab auch ein ordentliches Abendessen (ohne Bier). Im Grand Nile Tower direkt am Nil waren wir für die erste Nacht untergebracht. Einiges an arabischem Publikum war auch da. Den Abend ließen wir mit einer Büchse alkoholfreiem Malzbier ausklingen. Das Frühstück war hervorragend und schon um 7.45 Uhr wurden wir zu einem sehr intensiven Ausflugstag abgeholt. Erstes Ziel: die Pyramiden von Gizeh mit der riesigen 143 Meter hohen Cheops Pyramide. Der Führer Ali sprach super deutsch und erklärte begeisternd, aber durchaus in einer Dosis, die wir noch verarbeiten konnten. Der kurze Kamelritt zum Aussichtspunkt über das gesamte Pyramiden-Ensemble war eigentlich zum Festpreis (12,5€) geplant, was die Kamel- oder Kutschenführer nicht daran hindert, noch einmal einen deutlichen Nachschlag zu fordern. Da sie ihre Lizenz verlieren, wenn rauskommt, dass sie gegen die Regeln verstoßen, wurden wir auf dem Rückweg immer wieder mit „I trust you“ ermahnt ja nichts zu verraten.

Die sogenannten Geierstraßen, die auch von den Ägyptern so genannt werden, schmälern das Vergnügen, die grandiosen Bauwerke zu betrachten, nur ein bisschen. Der Aufdringlichkeit kann man sich leicht durch stoisches Lächeln und immer wieder „nein danke“ sagend leicht erwehren, ohne böse werden zu müssen.

Rund um die Pyramiden verteilen sich die vielen Menschen sehr gut. Im Bereich der Sphinx drängt es sich etwas mehr. Die mittlerweile zum Standard gewordene Attitüde fast aller Touristinnen sich in extravaganter Pose vor dem Kunstwerk in Szene zu setzen, muss man nicht mögen und zwischendrin findet sich immer wieder Gelegenheit für einen eigenen Schnappschuss. Um die Mittagszeit erreichen wir die 35 Grad und Sonnencreme, Hut und Sonnenbrille sollten dabei sein.

Die Sphinx, deren Nase bekannterweise fehlt, ist im dafür vorgesehenen Besichtigungsbereich von vielen in verschiedenen Posen umlagert. Wieder im Bus fällt uns eine ägyptische Besonderheit auf. Unzählige Häuser sind nicht fertig gebaut und dennoch bewohnt. Ali erklärt uns, dass das weniger mit der Inflation zu tun hat, die aktuell immerhin bei 37% liegt, sondern mit der Grundsteuer. Erst wenn ein Haus fertig gebaut ist und ein Dach hat, wird die relativ hohe Steuer fällig. Deshalb finden sich in Kairo und ganz Ägypten abertausende Häuser ohne fertiges Dach. Der aktuelle Finanzminister will das ändern, aber Änderungen in Ägypten seien schwer.

Auf dem Weg zum Nationalmuseum stoppen wir noch bei einer Beduinenfamilie, bei denen bereits Mohamed Ali (der Boxer) oder Mario Adorf (der Schauspieler) zu Gast waren. Hier gibt es freie Getränke und eine kostenlose Verkaufsveranstaltung für Duft-Rohessenzen, die die Familie selbst herstellt und die die Grundlagen für alle Markendüfte darstellen. Der Beduinen-Chef kann hervorragend deutsch, kennt alle Parfums und ihre Ingredienzien, hat elf Kinder, von denen bereits drei ihm geschäftig assistieren. Wir lassen uns davon überzeugen zuzuschlagen und haben dabei die ägyptische Pflicht des Handelns um den Preis, sträflich vernachlässigt.

Im Anschluss machen wir noch einen Stopp bei einem großen Open-Air Restaurant mit Buffet und ägyptischer Live-Musik. Ali gibt den Tipp nur durchgegartes zu nehmen und den gutaussehenden Salat stehen zu lassen.

Dann endlich erreichen wir das Nationalmuseum, wieder in der Innenstadt. Auch hier kann man sich Tage aufhalten und Ali führt uns an seine prägnanten Lieblingsstellen, antizyklisch um den Menschenmassen zu umgehen, was aber nur zum Teil gelingt. Gleich im Eingangsbereich ist der schwarze Basaltstein zu sehen, der 1799 gefunden wurde und einen Text in drei Schriften zeigt. Der Stein mit Hieroglyphen, demotischer Schrift, griechisch war der Schlüssel für die Entschlüsselung der Hieroglyphen im Jahr 1802. Hier ist nur eine Nachbildung, das Original befindet sich im Britischen Museum in London.

Ziemlich erschöpft erreichen wir gegen 16h das Hotel, wo wir um 18h Richtung Flughafen abgeholt werden. Der Flug geht erst 22:35. So müssen wir lesend, schreibend, trinkend die Zeit abwarten. Das in Ägypten gebraute Bier „Stella“ ist durchaus trinkbar und der halbe Liter aus der Dose kostet 200 LE (Pounds Egyptian), das sind knapp 6€. 

Kurz vor Mitternacht landen wir in Assuan.  Während uns in Kairo der freundliche Führer gleich erwartet hatte, ist hier für uns erst einmal niemand da. Draußen warten aber Wagen und Fahrer auf uns. Leider ist das Zimmer auf dem Schiff noch belegt und so werden wir in einem Hotel (Obelisk) direkt am Nil zwischen geparkt. In Terrassen sind die Bungalows in das abfallende Ufer eingebaut. Unseres ist die letzte Linie. Das Bad liegt quasi unter der Straße. 

Auf der Terrasse mit Nilblick trinken wir das letzte mitgebrachte Bier, das bei der Handgepäckkontrolle hier niemanden interessiert hat.