Ein paar Tage in San Francisco

San Francisco hat so viele Facetten, dass es natürlich unmöglich ist, diese in nur wenigen Tagen alle zu entdecken. Die Entscheidung, einen Marco Polo Reiseführer über Kindle zu bestellen, erweist sich als unnötig, denn erstens ist der nicht besonders gut und übersichtlich gemacht und zweitens bekommt man im Visitor Center bei der Powell Station so viel Informationsmaterial, dass man sich eigentlich die Reiseführer alle sparen kann.

Zunächst, wie schon zuvor erwähnt, musste ich feststellen, dass das alles ziemlich groß und hügelig ist. Bis zu meiner Unterkunft in Daly City waren es von der Golden Gate Bridge 10 Meilen und das hat nochmal eine Stunde gekostet. Bei Recherche der Transportmöglichkeiten am nächsten Tag habe ich dann festgestellt, dass ich ca. 15 Minuten Fußweg von der Colmo BART Station wohne und die fährt in 20 Minuten im 20 Minutentakt nach Downtown.

Am ersten Tag (7.10.2017) bin ich dann durch den Financial District, durch Chinatown, durch das italienische Viertel über die St. Pauls Church über Lombard Street und Russian Hill zur Fishermen Warft bis Pier 39 gelaufen. In den steilen Straßen rund um die Lombard Street dürfen die Autos nur quer zur Straße parken. Das Bild mit den parkenden Autos ist übrigens nicht schief, denn ich habe die Kamera peinlich genau gerade gehalten. Die Serpentinen, die sie in die Lombard Street eingebaut haben scheint ein Riesenvergnügen für alle zu sein. Es gibt oben einen großen Stau, da man nur runter fahren darf.

Da war ich laut Schrittzähler 16 km unterwegs und nur für die letzten Kilometer habe ich dann einen Bus genommen um in Embarcadero über die BART Linie wieder nach Colmo zu kommen. Allein diese Vielfältigkeit und das pulsierende Leben zu beobachten, zugegeben es war Wochenende mit Fleetweek mit Blue Angels Show, macht schon Spaß. Es ist soviel Lebensfreude zu spüren, tanzen auf offener Straße und einfach Vergnügen an den Sehenswürdigkeiten.

Die ersten zwei Abende esse ich im Val‘s, unweit von meiner Unterkunft, entlang der School Street in Daly City, die die Werner Av. kreuzt. Die Wege sind alle schlecht ausgeleuchtet und es kommt einem immer mal wieder jemand entgegen, von dem man nicht weiß ab er ebenfalls gut gelaunt ist. Da gibt es guten Fisch und gutes Fleisch und Freitags und Samstags Karaoke von ziemlich guter Qualität. Da treten dann tatsächlich auch nur Leute auf, die das ziemlich gut beherrschen.

Am zweiten Tag (8.10.2017), habe ich es ruhig angehen lassen. Von Powell Station zu Civic Center mit den größeren offiziellen Gebäuden suche ich erst einmal in einem ursprünglichen einfachen asiatischen Café, was ich denn Abends gerne machen würde. Es stellt sich raus, dass Christan McBride am Abend in der SFJAZZ Konzerthalle spielt und online gibt es, obwohl nur „almost sold out“, keine Karten mehr. Beim weiter Schlendern in Richtung Alamo Square und Painted Sisters komme ich auf einmal an einem Biergarten vorbei, in dem es Halbliter und Maßkrüge, Pretzel und Obatzter gibt. Obwohl ich kurz zuvor einen Kaffee mit Kuchen hatte, kann ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Wenig später passiere ich die „Suppenküche“ irgendwie scheint dieses Viertel deutschaffin zu sein. Vom Alamo Square bietet sich in beginnender Abenddämmerung ein schönes Bild über die Stadt und die Painted Sisters, eine Gruppe von pittoresken, viktorianischen und damit fotogenen Häusern. Auch hier sprüht der gesamt Park von Leben mit teilweise skurrilen Geschäftsideen wie einer im Yoga – Sitz mit einem Schild „Do you need Advice“.

Nachdem ich schon zuvor versucht hatte bei SFJAZZ nachzufragen geh ich da nun wieder hin und rede mit einem jungen Mann an der Kasse, der meint es wäre tatsächlich nichts mehr zu haben und er empfiehlt, dass ich doch gegen 6:30 nochmal kommen soll. Manche geben ihre Karten zurück und dann kann man da eintreten. Die Zeit verbringe ich mit falsch geliefertem Essen, statt Salat mal wieder ein Burger im angegliederten Bistro und unterhalte mich mit einer älteren Dame, die mich für einen Lehrer hält, da sie selber Lehrerin ist. Sie nimmt Französischkurse dieses Jahr, aber nächstes Jahr möchte sie dann auf Deutsch umsteigen. Ich biete ihr großzügig von meinen Kartoffeln an, die ich, wegen Falschlieferung, extra zu den Pommes bekommen habe und sie nimmt dankbar an; die Falafelbällchen sahen auch sehr trocken aus. Um 6:30 bin ich dann wieder bei dem jungen Mann und er drückt mir verschwörerisch eine Karte in die Hand. Die wäre zurück gekommen und ich könne sie haben. Es wäre nichts zu bezahlen. So komme ich kostenlos in den Genuss, eines 65$ Konzertes. Der Sauvignon Blanc im Plastikbecher kostet allerdings stolze 14$ (+ Tip). Das Konzert mit Christian McBride aufgeteilt in zwei Teile mit zwei Trios, jeweils mit Piano und Gitarre erweist sich als eines der Besten, die ich jemals gehört habe. Unglaublich, wie gut manche Leute Musik machen können. Die Perfektion und Leichtigkeit, die Fähigkeit andern den Raum zu lassen und dennoch durch leichte Untermalung, den richtigen Sound, gemischt mit etwas Humor, zu schaffen ist herausragend. Das ist eine Professionalität und Harmonie im weiteren und besten Sinne, die schön wäre in andere Bereiche übertragen zu können. Das erste Trio „Tip City“ mit Christian McBride bass, Rodney Jones guitar, Emmet Cohen piano war schon genial und das Zweite „Remembering Ray Brown“ mit Christian McBride bass, Russell Malone guitar und Benny Green piano wurde noch besser.

Am dritten Tag (9.10.2017) bin ich dann in erster Linie im Financial District rum gewandert und dann ins SFMOMA das „San Francisco Museum Of Modern Arts“ gegangen, was auch wieder ein Superlativ unter den bislang von mir besuchten Museen darstellt. Das rote Bild ist übrigens kein Kunstwerk sondern die Herrentoilette. Da es überall WiFi gibt, nutze ich die Gelegenheit um länger mit Tochter(2) zu telefonieren. Abends im IMAX habe ich mich für die Kingsmen 2 entschieden, die man sich getrost sparen kann. Das Kino mit breiten verstellbaren Sesseln bis in Liegeposition ist genial. Der Schwarze neben mir (sicher einen Meter breit ohne zu stören) ist allerdings nur aufgewacht, wenn ihn seine Freundin gestupst hat oder es wenigstens auf 90 DB hoch ging.

Am heutigen letzten Tag (10.10.2017) nehme ich dann am späten Vormittag mein Fahrrad und suche einen Bike Shop. Trotz zuvor betrachteter Route fahre ich 5km Umweg. Der Laden wird von zwei Schwarzen mit Rastalocken betrieben und im ersten Moment fühle ich mich noch nicht so wohl. Der Angestellte meint ich bräuchte eine neue Kette (obwohl die ja gerade ca. 1000 Meilen alt ist). Eigentlich ging es mir um den Sand um das professionell zu reinigen. Der knurrige Chef und Mechaniker beschließt dann auch mein Rad vorzuziehen und im benachbarten Super Cafe, in dem ich Frühstück und Mittagessen mit Nachtisch nachholen kann (Salat mit Feta und Lemon Cake), vertreibe ich mir die Zeit um Optionen zu finden, wie die Sperrungen auf dem Highway 1 bewältigt werden können. Als ich dann wieder komme hat er nach Reinigung tatsächlich noch ein Problem gefunden, die Gabel wackelt, was ich noch nicht bemerkt hatte und nachdem ich ihn gebeten hatte es zu richten, braucht er tatsächlich auch eine ganze Zeit um zu finden, dass die Spacer Abstände nicht korrekt waren. Nun gut, auch wenn das diesmal 85$ gekostet hat (ohne neue Kette) fühlt sich das ganze wieder sicherer an und nachdem ich den gut sortierten Laden mit den schönen Rädern gelobt hatte, war er dann auch nicht mehr so knurrig und hat sich mit mir über Touren unterhalten.

In ca. 45 Min. geht es zur Golden Gate Bridge. Es hat zugezogen und den Weg auf die andere Seite spare ich mir und nehme den Weg möglichst nah am Wasser um schließlich nach kurzen Stopps und noch einem Versuch die Seelöwen bei Pier 39 mit fast dem gleichen Gegenlicht wieder bildlich einzufangen bis zum Ferry Building zu kommen.

Dort fällt mir ein, dass ich noch gar keinen Turntable der Cablecars beobachten konnte und beim ersten, der keiner ist, denn da geht es nur rein und einfach wieder raus, helfen mir zwei Damen von den Zeugen Jehovas weiter, die ich auch sehr lobe, da sie mich auf Grund meiner Aussprache direkt als Deutschen identifiziert haben. Die Aufnahme des angebotenen Lesematerials kann ich vermeiden, indem ich ihnen die Geschichte von meiner Fahrradtour erzähle und weiteres (nicht überflüssiges Gewicht) zu vermeiden wäre. 1 Meile weiter, wieder direkt an der Powell Station, ist dann der nächste Turntable und da kommen die historischen Cable Cars im 2 Minuten Takt um als Foto- und Filmmotiv zu dienen und für 7$ (one way) die in langer Linie wartenden Fahrwilligen aufzunehmen.

Um Abend zu essen gehe ich dann in das schon am Vorabend besuchte Restaurant / Bar des Pickwill Hotel. Da ich das Rad nicht einfach auf der Straße anketten möchte, denn es wimmelt von Obdachlosen und weiteren zwielichtigen Gestalten, die versuchen alles mitzunehmen, was einfach zu bekommen ist, übernimmt der Mann an der Rezeption das Rad in den Gepäckaufbewahrungsraum des Hotels, was mich das Abendessen (und die zwei IPA) wesentlich entspannter genießen lässt. Zurück geht es dann über die BART Bahn von Powell Station bis Colmo und siehe da, zwei fragenden Amerikanern kann ich schon den Weg erklären. Das Rad in öffentlichen Verkehrsmitteln mitzunehmen, scheint durchweg kein Problem zu sein. In der BART gibt es ausgewiesene Bereiche, die Busse haben vorne extra Fahrradständer nur die Metro habe ich nicht probiert.

Somit ist heute mein letzter geplanter Tag in San Francisco und nachdem ich mir noch den wenig amüsanten Tatort von Sonntag über Internet angeschaut habe, schreibe ich dann noch diesen Bericht.

Bleibt nachzutragen, dass ich ca. 35 km mit dem Fahrrad (ohne Packtaschen und Ausrüstung) und ohne sehr viele Höhenmeter (ca. 300) unterwegs war. Das Radfahren in San Francisco geht eigentlich ziemlich gut. Entweder gibt es ausgezeichnete Routen durch Nebenstraßen oder es ist so voll, dass die Radfahrer das Geschehen bestimmen. Bspw. die Market Street hoch bin ich in einem Pulk gefahren, da waren nicht die Autos das Problem, denn die waren alle hinten sondern die andern Radler, die alle zügig überholen wollten obwohl sich an der nächsten Ampel alles wieder einträchtig versammelt hat. Allerdings geht es hier auch ständig einen Hügel hoch (teilweise steil) und den nächsten wieder runter.

Von Olema nach San Francisco

Zunächst stellte sich in der Nacht heraus, dass die Dame im Campground Büro Recht hatte. Es war tatsächlich unter 0 Grad. Am Morgen war der Campingtisch mit einer Frostschicht bedeckt. In der Nacht habe ich mir eine Jacke angezogen, damit ging es, aber die Comfortzone des Schlafsacks wird bei dieser Temperatur langsam erreicht. Trotz der Kälte herrscht hohe Luftfeuchtigkeit, so dass das gesamte Zelt ziemlich nass wurde und auch der Schlafsack war zumindest von außen etwas feucht.

Die Entscheidung für den Campground mit offener Wiese erweist sich damit als goldrichtig. In der stärker werdenden Sonne kann das ganze Zeugs erst einmal trocknen. Das funktioniert gut. Immerhin hat es am späten Vormittag schon an die 30 Grad. Kurz nach 12 Uhr fahre ich los.

Die Strecke (69 km, 780 Höhenmeter) ist zunächst wenig spektakulär. Am Anfang führt der Weg einmal durch Redwoods (mit dem Hike & Biker Campground). In der Düsternis der Bäume kommen mir mehrere Rennradler entgegen, manche überholen mich auch. Zu grüßen, wie zuvor Pflicht, ist in der Nähe der Großstadt nicht mehr so angesagt. Ein Schwarzer, dunkel gekleidet kommt entgegen. Ich sehe ihn erst im letzten Moment, gut getarnt.

Ein älterer Herr mit Rennrad überholt mich, aber am höchsten Berg hole ich ihn fast wieder ein. Ab Fairfax wird man dann über kleinere Sträßchen und echte Radwege geführt, so komme ich nach Sausalito. Dort kommt tatsächlich das Gefühl auf in einem richtigen Urlaubsort zu sein, viel Wasser, Restaurants Bars und viele Menschen. Es kommen noch ein paar kurze giftige Anstiege bis ich die Aussichtsplattform vor der Golden Gate Bridge erreiche. So viele Leute auf einem Haufen, man kommt kaum in die erste Reihe um nur ein Foto zu machen.

In Olema am Camping hatte mich ein Radler angesprochen, der auch schon in Deutschland und in den Alpen war und mir Strecken nach San Francisco erklärt hat. Seinem Vorschlag über die 7 bitches, von denen er mir vorschwärmt, folge ich für dieses Mal nicht. Er erzählte, dass die Fliegerstaffel der US Navy, die Blue Angels, heute Showflüge veranstalten. Genau zu dem Zeitpunkt an dem es lost geht, komme ich an die Brücke. Besser hätte man es nicht planen können. Irre, wie die im Tiefflug, in Formation und über die Brücke und die Stadt fliegen, das ist schon Wahnsinn.

Wegen Bluegrass Festival und dieser Fleetweek ist San Francisco leider ziemlich voll. Das treibt mich in die Außenbezirke, immerhin nochmal 10 Meilen bis Daly City wo ich dann endlich im Appartement einchecke, welches ich mir mit Mitbewohnerin Natalia aus Toronto teile. Sie ist seit neuestem bei Google im Bereicht Cost Compensation. Der Kühlschrank ist leer, ich finde die versprochene Waschmaschine zunächst nicht und die Ausstattung ist auch nicht gerade auf Top Niveau. Das WiFi funktioniert aber gut und alles ist ordentlich und sauber.