Von Saint Nazaire nach Nantes

Nachdem wir gestern viel Regen erlebt haben, freuen wir uns, dass der Himmel ganz passable aussieht, aber in dem Moment, in dem ich aus dem Appartement auf die Straße gehe, beginnt der Nieselregen. Auf dem Rückweg von der Boulangerie wird es heftiger, so dass meine Regenjacke gleich mal wieder nass ist, aber es trocknet alles wieder. Das Appartement schräg gegenüber vom Theater war komfortabel und groß genug, dass wir unsere Räder bequem unterbringen konnten.

Unsere erste Herausforderung heute ist allerdings von ganz anderer Natur. Nachdem wir wie üblich kurz nach 10h los kommen, führt uns der Weg ein Stück zurück (diesmal mit dem Wind im Rücken). Als nächstes müssen wir die Loire überqueren, die an dieser Stelle schon ein paar Kilometer breit ist. Dafür müssen wir über die Brücke „Pont de Saint-Nazaire“. Die ist 3,3 km lang und die Fahrbahnhöhe ist 67 Meter über dem Wasser. Der Randstreifen für die Radfahrer ist mit knapp einem Meter mal wieder sehr knapp bemessen und zunächst geht es mit 3% Steigung und recht starkem Wind nach oben. Je weiter wir nach oben kommen, umso stärker wird der Wind. Als mir eine Böe fast den Lenker verreißt, beschließen wir abzusteigen und zu schieben. Auch das ist kein Vergnügen, ich kontrolliere immer wieder, ob mein Helm hält. Trotz der unwirtlichen Bedingungen schaffen es einige Pflanzen sogar Sonnenblumen auf der Brücke heimisch zu werden.

Auf der andern Seite ist dann auch Platz für ein paar Fotos und wir lesen die verschiedenen Schilder „streng verboten für Fußgänger“ und „kostenlose Überquerung für Fahrräder“. Jetzt erschließt sich, für was der Kleinbus mit Anhänger für Fahrräder, der gerade eins aufmontierte, gedacht war. Na gut, so ging es auch, aber obwohl in Komoot dies immer wieder als Radfahrer-Highlight gelobt wurde, das muss man nicht unbedingt haben. Aber der Ausblick auf Saint Nazaire und ein letzter Blick auf den Atlantik war natürlich schon phänomenal von da oben.

Ab jetzt geht es weitgehend flach entlang der Loire mit Blick auf eine Reihe von Fischfang-Einrichtungen. Wir kommen durch einige kleine Orte, die verschiedene interessante Dekorationen haben. Das Wetter hält zunächst, aber irgendwann kommt dann doch wieder ein Regenschauer, aufgrund dessen wir unsere Regensachen anziehen. Nach 30 km machen wir Pause an einem Ausstellungshaus zur Gegend und Landschaft mit angeschlossenem Kiosk und hier treffen sich ganz viele Loire-Radweg Wanderer. Denn nun begegnen wir alle paar Minuten einer Gruppe, die uns entgegen kommt. Am Kiosk ziehen wir wieder alles aus, aber nachdem wir nur wenige hundert Meter gefahren sind, ziehen wir es wieder an und behalten die Regensachen, auch wenn sie nicht so bequem sind, bis Nantes an, denn es kommen immer wieder kleinere oder größere Schauer.

Wir merken vom Wind nur indirekt etwas, denn er schiebt uns, so dass wir lässig mit 24 km/h entlang gleiten. Die uns entgegen kommen, haben deutlich mehr zu kämpfen. Irgendwann will uns Komoot auf die andere Seite des Ufers führen und tatsächlich gibt es da eine relativ große Fähre, die Fußgänger, Radfahrer, Autos kostenlos rüber transportiert. Gegen 15h erreichen wir Nantes und unser Appartement, was schon für uns vorbereitet ist und wir direkt beziehen können.

Das Appartement liegt im Graslin Viertel nur unweit des Place Graslin mit dem gleichnamigen Theater und der Brasserie „La Cigalle“, die im 19. Jahrhundert eingeweiht wurde und eine ganz besondere Einrichtung hat. Grund genug für einen Café au Lait und einen Teller mit Schokoladen- und Zitronenkuchen. Über die Passage Pommeraye mit vielen eher exklusiven Geschäften und einer extravaganten Dekoration geht es weiter Richtung Zentrum.

Die Kathedrale ist großartig von außen, denn betreten darf man sie nicht. Im Jahr 2020 hat es gebrannt, Brandstiftung (3 Stellen gleichzeitig), die Orgel wurde zerstört und seither wird renoviert. Die Stadt ist voller Kunstwerke, die an verschiedenen Stellen in die historische Umgebung integriert sind. Da gäbe es dutzende Motive. Besonders eindrucksvoll und amüsant ist diese Gruppe mit griechischen Statuen.

Als nächstes kommen wir zum Schloß der „Herzöge der Bretagne“, welches im 15. Jahrhundert gebaut wurde mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der Bretagne zu sichern. Etwa 100 Jahre später wurde dann allerdings die Bretagne per Heirat (Duchesse Anne, die es auch hier als Statue gibt) mit Frankreich vereinigt. Aber das Schloss gibt es immer noch. Die Besichtigung der Anlage, Innenhof, Befestigungsmauer etc. ist kostenfrei, aber es gibt auch noch einige Museen, für die wir natürlich keine Zeit haben.

Nachdem wir lange durch das lebhafte und malerische Stadtzentrum geschlendert sind, wollen wir noch auf die Insel „Île Beaulieu“, um die auch in der Brochure „Le Voyage à Nantes“ beworbenen „Les Machines de L‘Île“ zu sehen. Auf dem Weg machen wir eine kleine Pause, um unter Studenten ein Bier zu trinken. Blöderweise finden wir diesen Elefanten, der angeblich 50 Personen tragen kann, nicht, obwohl wir den Platz mehrfach abgelaufen haben. Stattdessen treffen wir eine „urban-fitness“ Gruppe, die auf dem Gelände geführtes Freiluft-Fitness-Training machen.

Das Kriegsschiff / Zerstörer, welches auf Wunsch General de Gaulles am Flussufer als Museum eingerichtet wurde, liegt uns gegenüber. Die Suche nach Essen führt uns in ein griechisch/türkisches Restaurant, was tatsächlich den Bewertungen stand hält, auch wenn mir die Bedienung immer eine ganze Flasche statt einer halben Flasche Restina bringen will. Im Gegensatz zu Saint Nazaire ist Nantes eine faszinierende Stadt, in der man auch ein paar Tage bleiben kann.

Wir waren heute 63 km auf dem Rad unterwegs. Die Etappe war mit 180 Höhenmetern sehr flach, davon sind allein 60 die Brücke. Der Wind war heute ausschließlich zu unseren Gunsten und das Wetter hätte auch schlimmer sein können.

Von Vannes nach Saint-Nazaire

Die Ausbeute an schönen Bildern ist nicht üppig heute. Um 8h wache ich auf und schau aus dem Fenster, Regen und Sturm. Mit dem anderen Fahrrad (mit Schutzblechen) hole ich uns etwas aus der Boulangerie. Die Bäckerei ist einen Kilometer entfernt und der Weg gibt mir Gelegenheit, schon mal zu prüfen, wie sich Rücken- und Gegenwind anfühlen. Erst um 11:20 verlassen wir das Appartement, weil die Wetter-App prognostiziert hatte, dass dann der Regen aufhört. Da müssen wir allerdings noch gut 30 Kilometer warten.

So wie letzten Sonntag ist heute das Wetter wieder äußerst miserabel. Diesmal müssen wir allerdings die ersten 30 Kilometer in starkem Dauerregen fahren. Erst nach 30 km, in Muzillac, machen wir eine Pause. Erfreulicherweise finden wir gleich eine moderne Boulangerie / Patisserie mit Sandwich-Angebot, richtigen Tischen und Strom. Hier halten wir uns eine ganze Zeit lang auf. Die Räder und unsere Ausrüstung (vor allem meine) ist furchtbar dreckig. Wir können uns trotz grenzwertiger Erscheinung bei Kaffee und Sandwich aufwärmen. Während wir da drin sitzen, geht es draußen noch einmal richtig los, aber nach einer Dreiviertelstunde ist dann erstmal Schluss mit Regen. Unsere Regenklamotten lassen wir die ganze Zeit an. Es kommen immer wieder ein paar Schauer und mit den Klamotten bleiben wir einigermaßen warm, obwohl es beim Dauerregen dann doch irgendwann durchkommt.

Erst bei der Brücke nach Arzal bietet sich Gelegenheit, mal zwei Fotos von den Booten im Schlick zu machen. Das Mobiltelefon liegt in der neuen Ortlieb Lenkertasche, die eine oben bedienbare Klarsichtfolie hat und durch die kleinen Schlitze nach unten mit dem Tascheninhalt verbunden ist. Darüber lässt sich auch eine Powerbank anschließen und damit lässt sich einigermaßen navigieren. Die Wege sind diesmal fast immer gut. Durch das Naturschutzgebiet geht es über Holzstege und matschige Wege, auf denen mein Reifen an seine Grenzen kommt. Später landen wir für ca. 5 km auf einer stärker befahrenen gelben Straße.

Ohne weitere Pause kurbeln wir die weiteren 52 km ab und kommen richtig schnell voran, denn der stürmische Wind kommt fast immer von schräg hinten. Manchmal merken wir ihn von der Seite und erst auf den letzten 10 km vor Saint Nazaire mit ganz tollen Radwegen quälen wir uns gegen ihn von vorne kommend. So absolvieren wir die letzten Kilometer mit einigem Kraftaufwand. Unser Gastgeber wartet schon auf uns, ich hatte etwas zu optimistisch gemeldet, dass wir in 20 Minuten da seien.

Unser Appartement ist groß genug und im Erdgeschoss, so können die Räder in der Küche parken. Das Stadtzentrum ist völlig ausgestorben und seelenlos. Da wünschen wir uns in die lebhafte Bar-Szene von Lorient zurück. Besonders sind hier die absurd riesigen U-Boot Bunker aus dem zweiten Weltkrieg. Die Betonmengen stehen seither wohl weitgehend unverändert.

Nach längerer Suche nach einem halbwegs akzeptablen Restaurant landen wir bei Don Papa in unmittelbarer Nähe unserer Wohnung. Es gibt Pizza und Foccacia, nachdem das häufigste Gericht „il n‘y a plus“ war.

Wir waren 82 km unterwegs, es waren 470 Höhenmeter und über das Wetter ist alles gesagt.